Ehrung der schwulen Opfer des Nationalsozialismus

Hinrichtungen wegen Homosexualität

»Fritz liebte Männer. Und wurde dafür gehängt. Hans, Ernst und Friedrich auch.«

1941 - Strafverschärfung mit Todesstrafe: "Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuchs vom 4. September 1941" veröffentlicht im ⟩  Reichsgesetzblatt, Teil 1, vom 8. September 1941 Nr. 101, S. 549-550
»§ 1 Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher (§ 20a des Strafgesetzbuchs) und der Sittlichkeitsverbrecher (§§ 176 bis 178 des Strafgesetzbuchs) verfallen der Todesstrafe, wenn der Schutz der Volksgemeinschaft oder das Bedürfnis nach gerechter Sühne es erfordern.«

Todesdatum Hinrichtungsort Name
[Wir erinnern an...]
Geburtsdatum Geburtsort
01.05.1942 KZ Sachsenhausen [Nichthäftling, SS-Standrechtlich erschossen] Ewald Schuster
[RosaWinkelGedenkbuch Ewald Schuster]
06.03.1912 Schoppinitz | Kattowitz
19.05.1942 Hinrichtungsstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden Paul Küster
[Stolpersteine in Berlin]
[Podcast Stolpersteine Berlin] [Folge 4: Paul Küster & Walter Boldes]
17.04.1908 Berlin
24.11.1942 Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee Rudolf Holz
[Totenbuch Gedenkstätte Plötzensee]
11.12.1888 Saarbrücken
14.12.1942 Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee Walter Boldes
[Totenbuch Gedenkstätte Plötzensee]
13.08.1898 Breslau | Wrocław
18.06.1943 Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee Wilhelm Finkernagel
[Totenbuch Gedenkstätte Plötzensee]
17.10.1910 Friedberg | Hessen

»Anstiftung und Beihilfe zum Mord an Homosexuellen – NS-Verbrechen der Berliner Justiz«

Der Kulturwissenschaftler, Mitarbeiter der Forschungsstelle zur Geschichte der Sexualwissenschaft ⟩  Andreas Pretzel hat sehr ausführlich über diese Mordaktion geforscht und in den ⟩  Mitteilungen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft Nr. 33/34, Dezember 2002 veröffentlicht.

Vier Männer, Bewohner, aus den ⟩  Hoffnungstaler Anstalten Lobetal, seit Ende 2010 ⟩  Hoffnungstaler Stiftung Lobetal, wurden unter Anwendung des Paragrafen 175 RStG und dem oben genannten Sondergesetz brutal aus ihren Lebensbezügen gerissen. Sie wurden im Oktober 1943 von der Gestapo in Lobetal verhaftet. Am 13. Juli 1943 vom NS-Sondergericht VI bei dem Landgericht Berlin zum Tode verurteilt.

In den ⟩  Blutnächten von Plötzensee am 7. und 8. September 1943 kaltblütig vom Scharfrichter ⟩  Wilhelm Friedrich Röttger durch Erhängen ermordet.

Der Mörder Röttger überlebte den 2. Weltkrieg und flüchtete nach Westdeutschland. Röttger wurde 1946 festgenommen. Er soll am 13. September 1946 in einem Hanoveraner Gefängnis verstorben sein. 1

Auf Anregung des Archivars der Stiftung Jan Cantow und Pastor Volker Niggemann entstand dort in Zusammenarbeit mit dem Kulturring Berlin e.v. ein ⟩  Mahnmal für diese vier homosexuellen Lobetaler. Das Mahnmal wurde am 13. Oktober 2008 während einer Werkandacht eingeweiht. Und am 7. September 2023 wurden für diese Männer ⟩  Stolpersteine in Lobetal verlegt.

Zum Gedenken und zum Reinigen der Stolpersteine besuchten wir am 16. Juni 2024 gemeinsam mit der Beauftragten für Gedenkkultur der Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Pfr. Marion Gardai den Gedenkort.

⟩ Lobetal; Tafeln gegen das Vergessen, Todesstrafe wegen Homosexualität  ⟩  Bildergalerie »Wider das Vergessen«

07.09.1943 Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee Ernst Hirning
[Totenbuch Gedenkstätte Plötzensee]
09.05.1913 Berlin-Schmargendorf
07.09.1943 Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee Friedrich Paul Riemann
[Totenbuch Gedenkstätte Plötzensee]
07.10.1896 Essen
08.09.1943 Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee Hans Heinrich Festersen
[Totenbuch Gedenkstätte Plötzensee]
01.10.1907 Berlin-Friedenau
08.09.1943 Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee Fritz Lemme
[Totenbuch Gedenkstätte Plötzensee]
18.08.1909 Wusterhausen/Dosse

07.12.1943 Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee František Kozák
[Totenbuch Gedenkstätte Plötzensee]
21.01.1920 Nieder Kamitz | Dolní Kamenice
07.01.1944 Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee Václav Veleba
[Totenbuch Gedenkstätte Plötzensee]
24.10.1910 Valovie (Protektorat, Mlada Boleslav)
02.03.1944 Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee Georg Paul Franz Matthes
[Totenbuch Gedenkstätte Plötzensee]
30.07.1881 Bischweiler | Elsaß
04.04.1944 Hinrichtungsstätte Gefängnis München-Stadelheim Emil Sill
[RosaWinkelGedenkbuch Emil Sill]
06.08.1904 Nürnberg
12.09.1944 Hinrichtungsstätte Liegnitz / Legnica Walter Boldt
[RosaWinkelGedenkbuch Walter Bold]
07.11.1908 Torgelow , Kr. Ückermünde
27.11.1944 Hinrichtungsstätte Zuchthaus Halle (Saale) »Roter Ochse« Paul Klotz
[RosaWinkelGedenkbuch Paul Klotz]
21.11.1897 Magdeburg

Am 24. April 1945 wurden die vier Polizisten in Berlin-Spandau erschossen.

Gedenktafel

Der Polizeimeister der Schutzpolizei, Otto Jordan, der Luftschutzpolizist Erich Bautz und die Polizisten Reinhold Hofer und Willi Jenoch wurden am 21. April 1945 verhaftet. Beschuldigt wurden sie alle angeblich schwerer Vergehen nach § 175 RStGB.

Für die vier Todeskandidaten gab es kein Gerichtsverfahren, kein Urteil, keine Möglichkeit, ein Gnadengesuch zu erstellen, keinen Abschied von Angehörigen, keinen geistlichen Beistand

Die Männer wurden aus ihren Zellen zu einer bereits ausgehobenen Grube gefahren. Der für die anstehende Exekution verantwortliche Polizeioberleutnant ließ die vier Männer nacheinander zur Erschießungsgrube gehen. Dabei wurden sie von Berliner Polizisten begleitet und bewacht. Auf dem Weg an die Grube trat vier Mal – aus dem Verborgenen heraus – ein weiterer Polizist hinzu, der den tödlichen Genickschuss setzte. Nacheinander fielen die ermordeten Polizisten in die Grube. Ein dabeistehender Polizeiarzt stellte den Tod fest. Weil einer der Ermordeten noch Lebenszeichen von sich gab, sprang der Todesschütze in die Grube und vollendete den Mord mit einem weiteren Schuss.
Anschließend wurde sie zugeschaufelt, ohne eine Kennzeichnung zu hinterlassen. Die Polizisten hatten ihre Kollegen getötet. Die Mitläufer einer Diktatur, die in den letzten Zügen lag, verwischten ihre Spuren. Die Urteile für die Täter drei Jahre später waren milde: Ein beschuldigter Revieroberleutnant wurde vom Schwurgericht Berlin zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt und nach fünf Jahren entlassen, ein weiterer aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Vom Todesschützen, der sich freiwillig gemeldet hatte, fehlte ebenso wie von dem Polizeiarzt jede Spur. Trotz intensiven Bemühungen, Suchen durch den ⟩ Volksbund Bis heute liegen die Toten irgendwo auf dem Gelände der Kaserne.

 🔎  Bild: Gedenktafel am Gebäude des Polizeiabschnitts 21 in Berlin-Spandau ⟩ Moritzstraße 10, dem Standort der ehemaligen Polizeiarrestanstalt an der Moritzkaserne.
Siehe: kulturring berlin e.V. ⟩ »In Spandau erschossen« (pdf)

Fußnoten:
1 Klaus Hillenbrand, »Berufswunsch Henker« Warum Männer im Nationalsozialismus Scharfrichter werden wollten, Seite 106, Campus Verlag, ISBN 9783593420936